E-Lok- Woife´s Historische Eisenbahnaufnahmen: 04. April 1983: 144 502 wird fünfzig!
Der 21. Feber 1977 war ein schwarzer Tag für die Freunde alter E-Loks: an diesem Tag
entschied die Deutsche Bundesbahn, die Baureihe 144.5 aus dem Unterhaltungsbestand
zu nehmen. Dies führte zur unmittelbaren Abstellung der 144 508; im Juli 1977 folgte
144 506. Im Mai 1978 erlitt 144 509 in Freilassing einen Aufstoß, weshalb sie vorzeitig
aus dem Betriebsbestand ausscheiden mußte. Im Juli 1978 traf es dann 144 503, die
z-gestellt wurde, ohne ihre Fristen erreicht zu haben. Als sich 144 502 Ende 1979 auf den
Weg in das Aw Freimann machte, schien es eigentlich klar, daß sie sich auf dem Lok-
friedhof wiederfinden würde. Zu unser aller Überraschung kehrte sie jedoch im März 1980
wieder zurück - mit der Aufschrift Unt MF 18.03.80 auf dem Rahmen! Der Lack war im
Aw etwas aufpoliert und das Dach sogar neu grau gestrichen worden - außerdem glänzten
die beiden Stromabnehmer in frischem feuerrot (Aufnahme vom 29.05.80 im Bf Traunstein).
Diese dem Tod gerade noch einmal von der Schippe gesprungene Maschine wurde zum
unbestrittenen Liebling der Altbau-E-Lok-Freunde aus dem Rupertiwinkel und dem
Chiemgauer Raum. Als sie am 07.03.81 für das Abholen eines Leerreisezuges aus dem
Salzburger HBF eingeteilt wurde, war der Glanz nach der HU schon etwas verblaßt.
Am 04.04.83 sollte 144 502 fünfzig Jahre alt werden. Uns von EC ES1 schwebte vor,
diesen Geburtstag angemessen zu feiern. Zu diesem Zweck wollten wir die Lok etwas
herrichten. Die Verantwortlichen im Bw Freilassing standen unserem Vorhaben äußerst
positiv gegenüber und nachdem die Haftungsfragen bei eventuellen Unfällen im Bw
geklärt waren, konnten wir Mitte Jänner in der Richthalle loslegen. Von unserem
ursprünglichen Vorhaben, die Lok reichsbahngrau umzulackieren, mußten wir allerdings
Abstand nehmen; auch eine eventuelle Demontage der Anfang 1968 angebrachten
Schaufelbahnräumer stieß auf wenig Gegenliebe. So erhielt 144 502 von uns eine neue
grüne Lackierung mit schwarzen Zierstreifen; mitte Feber war die linke Seitenwand dran.
Ich hatte mir das Dach vorgenommen. Dazu gehörte auch, die Isolatoren zu polieren,
sowie die Dachleitung und die Stromabnehemer zu lackieren. Der vordere hat die Prozedur
schon hinter sich, dem hinteren blieb es dann erspart. Denn die SBS 10 mit Pendelwippe
stellten für mich ein großes optisches Ärgernis dar und so kontaktierte ich den Werkmeister
des Bw Freilassing, ob es da nicht eine Möglichkeit der Abhilfe geben würde. Er meinte, daß
dies schon gehen würde - allerdings dürfe das Ganze nicht viel Zeit in Anspruch nehmen.
Leider waren an vielen E 44 - Dächern im Lauf der Zeit Basteleien vorgenommen worden,
weshalb bei einigen Loks die Anschlüsse nicht mehr ganz der Norm entsprachen. Doch
da konnte ich weiterhelfen: die SBS 10 der Rosenheimer 144 025 oder 088 würden ohne
zeitaufwendige Nacharbeiten auf die 502 draufpassen.
In Rosenheim hatte man nichts dagegen, eine der beiden Loks zur Verfügung zu stellen,
wenn man sie innerhalb eines Tages wieder zurückhätte. So wurde 144 025 am 15. Feber
nach Freilassing in Marsch gesetzt und in der Nacht dann der Stromabnehmertausch
vollzogen (Aufnahme am Abend des 15.02.83 vor der Richthalle in Freilassing). .
144 025 bot mit den beiden Pendelwippen - SBS 10 ein irgendwie seltsames Erscheinungs-
bild. Auf diesem Foto vom 12.03.83 in Landshut erkennt man hinten den frisch gestrichenen
Stromabnehmer, der bei der 502 vorne montiert war.
Am 27.03.83 verließ 144 502 die Richthalle. Sie hatte nun auch wieder ihre beiden Glocken,
die wir von der 504 und der 507 abmontiert hatten. Der "Geburtstagsparty" am 04. April
stand nun nichts mehr im Weg.
Christoph Kirchner hatte in der Zwischenzeit vier Messingschilder "E44 502" angefertigt
und Frau Evelyn Ziegert aus Griesen steuerte für diesen Tag auch noch einen Satz alter
Laternen bei. Der 04.04.83 sollte als "Tag der Altbau-E-Loks" in die Eisenbahngeschichte
eingehen: es war tagsüber nur eine 111 im Einsatz, den restlichen Zugverkehr teilten sich
E44 502, 144 504 145 170 (!) und eine mir nicht mehr bekannte 194. Leider war das Wetter
eine Katastrophe; meine Streckenaufnahmen von diesem Tag wurden fast alle entweder unterbelichtet oder bewegungsunscharf.
Bayerische Lokomotive mit stilechtem Personal... Die Inbetriebnahme der dekorativen
Pfeife, die ich mir vom Vater meiner Freundin ausgeliehen hatte, sollte sich jedoch ein
paar Stunden später als grober Fehler herausstellen (ich bin eigentlich Nichtraucher...).
Das Wetter wurde gegen Mittag immer schlechter. Die Schneefallgrenze sank bis
auf unter 1000m.
Wie zum Hohn stieß dann kurz vor Sonnenuntergang die Sonne ganz leicht durch die
dünne Wolkendecke. E 44 502 hat soeben von Salzburg kommend das Freilassinger
Einfahrsignal passiert.
Nachdem uns das Wetter am 04. April so arg im Stich gelassen hatte, montierten wir zwei
Wochen später bei eitel Sonnenschein die E44-Schilder noch einmal. Leider hatten wir an
diesem Tag nur eine alte Laterne zur Verfügung. Hier legt sich E44 502 kurz vor Bischofs-
wiesen in die Kurve; im Hintergrung die Schlafende Hexe.
Am Spätnachmittag durfte E44 502 dann noch einen Zug aus Salzburg abholen.
Als besonderes Schmankerl stellte uns ein Lokführer die Maschine dann am Abend noch zum
Fotografieren auf die Saalachbrücke in Freilassing.
In den nächsten Wochen gab es dann noch zahlreiche Einsätze der 144 502 auf ihrer
Hausstrecke. Hier steht sie zusammen mit 144 504 und einem Schienenbus auf dem
Stumpfgleis neben der Bw - Einfahrt.
Da 144 502 den Fahrplanwechsel auf einer Ausstellung in Trostberg verbringen
sollte, legten wir den Termin für eine Abschiedsparade der letzten vier 144.5er
eine Woche vorher. Da die 505 und die 507 schon längere Zeit im Freien abgestellt
waren, polierten wir die beiden Loks in der Nacht zuvor an den Frontseiten noch
etwas auf. Die Lampen stammten von den Rückseiten der 502 und der 504.
Nur damit man sieht, wie die 505 und die 507 ohne Aufpolieren ausgesehen hätten...
Nach der Ausmusterung blieb der 144 502 der Schneidbrenner erspart. Sepp Bauer,
ein pensionierter Zugbegleiter aus Freilassing, erwarb die Maschine von der DB und
überließ sie uns (das heißt dem EC ES1) zur Betreuung. Wir brachten die Lok im
kleinen Lokschuppen in Traunstein unter und machten uns daran, die Maschine nun
in den ursprünglichen Zustand zu versetzen. Auf diesem Foto vom 05. Feber 1985
ist der Lokkasten bereits fertig verspachtelt und grundiert.
Unter Anderem waren nun auch die Schaufelbahnräumer abzuschneiden (diese waren
wie bereits erwähnt erst Anfang 1968 montiert worden). Für Modellbahner vielleicht
interessant: die einzige E44.5, die diese Schaufelbahnräumer noch mit alter Nummer
montiert bekommen hat, war die E44 508; alle anderen Maschinen wurden erst als
144.5 damit ausgerüstet.
Am 17.05.85 war die nun als E44 102 beschilderte Lok fast fertig. Es fehlten lediglich die
Führerstandsbezeichnungen und ein Stromabnehmer war noch silberfarbig zu lackieren.
Die großen Laternen waren zwar schon bestellt, aber noch nicht geliefert worden.
Im Jubiläumsjahr 1985 war E44 102 auf zahlreichen Ausstellungen zu sehen. Doch über
uns und unserer Lok begannen sich dunkle Wolken zusammenzuziehen. In der Direktion
war man wenig erbaut darüber, daß wir den Traunsteiner Lokschuppen praktisch für einen
Apfel und ein Ei nutzten. Als die einfache Kreuzungsweiche, die zu unserem Schuppen
führte, zum Austausch anstand, stellte man uns schließlich vor die Wahl, die Unterhaltungs-
kosten für die EKW fortan zu übernehmen und für den Schuppen eine angemessene Miete
zu bezahlen oder auszuziehen.
Im Raum stand eine Forderung von 14.000 DM / Jahr; ein Betrag, der für uns
Berufsanfänger schlicht nicht bezahlbar war. Denn auch, wenn der Verein nominal
zehn Mitglieder hatte, standen für die Lok und deren Kosten eigentlich nur fünf
Leute gerade. So blieb uns nichts anderes übrig, als den Schuppen zu verlassen.
Dieser wurde wenig später abgerissen und die zuführende EKW ausgebaut.
E44 102 fand zunächst im Freigelände der Baywa einen Platz, später mußten wir auch
dort verschwinden. Lange Zeit stand sie dann auf dem Bundeswehranschluß der
Traunsteiner Kaserne und verkam äußerlich zusehends. Da wir die Lok nirgends
geschützt unterstellen konnten, unterließen wir auch weitere äußere Instandhaltungs-
maßnahmen.
1997 zeichnete sich dann ein zumindest halb positives Ende für die Maschine ab.
Joseph Bauer war inzwischen verstorben und seine Witwe vermachte die Lok der
Stadt Freilassing, die sie wieder in den Zustand der frühen Epoche IV zurückver-
setzen und als Denkmal aufstellen ließ.
Zumindest ist 144 502-2 damit vorerst einmal gerettet. Dennoch hoffe ich, daß
die Lok mittelfristig wieder irgendwo ein Dach über dem Kopf bekommt, um
Wind und Wetter nicht weiterhin schutzlos ausgeliefert zu sein. .