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Datum: 24.03.2011 Uhrzeit: 09:20

15 Jahre Nahverkehrs-Wettbewerb in Nordrhein-Westfalen

Seit 15 Jahren herrscht Wettbewerb im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) in Nordrhein-Westfalen. 1996 übertrug der Bund den Ländern die Verantwortung für den SPNV und stellt ihnen Finanzmittel zur Verfügung, um bei Eisenbahnunternehmen Nahverkehrsleistungen auf der Schiene einzukaufen. Seither hat sich der Wettbewerb rasant entwickelt.

Für den Nahverkehr in NRW überweist der Bund derzeit jährlich rund 1,1 Milliarden Euro. Ausgegeben wird das Geld von den sogenannten Aufgabenträgern. Ursprünglich waren das NRW-weit neun Organisationen, nach einer Strukturreform im Jahr 2008 sind es heute noch drei: der Zweckverband Nahverkehr Rheinland in Köln, der Zweckverband Nahverkehr Westfalen-Lippe in Unna und der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR in Gelsenkirchen.

Als Zusammenschluss der Kreise und kreisfreien Städte haben sie die Aufgabe, den SPNV in ihrem Raum zu planen und Verkehrsunternehmen mit der Durchführung zu beauftragen. Grundlage dafür ist das "Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen". Wie der SPNV genau gestaltet wird, welche Züge wann auf welchen Strecken unterwegs sind, wie viele Sitzplätze sie haben, ob Zugbegleiter an Bord sind - all dies wird nicht von den Verkehrsunternehmen wie der Deutschen Bahn und ihren Wettbewerbern bestimmt, sondern von den Aufgabenträgern festgelegt. Durch die Verkehrsverträge sind auch minutiös einzelne Details geregelt, etwa zur Bauart, Technik und Innenausstattung der Züge, zum Umfang der Kundenbetreuung oder zum Marketing.

Ein dynamischer Markt

Insgesamt hat der Wettbewerb den SPNV in Nordrhein-Westfalen deutlich angekurbelt. So konnten die Aufgabenträger das Fahrplanangebot seit 1996 um mehr als 30 Prozent ausweiten. Mit einem Marktanteil von rund 70 Prozent ist die DB Regio AG, die Nahverkehrstochter der Deutschen Bahn, zwar nach wie vor das größte, aber keineswegs das einzige SPNV-Unternehmen in NRW.

Von Anbeginn an war das bevölkerungsreichste Bundesland ein attraktiver Markt für viele Bahngesellschaften. Bereits 1996 wurde auch die erste Strecke ausgeschrieben: die Vollmetalbahn Dortmund - Hagen - Lüdenscheid, die an die Dortmund-Märkische Eisenbahn (DME) vergeben wurde. Dass die DME inzwischen selbst Geschichte ist, weil sie nach der folgenden Ausschreibung den Auftrag verlor, wirft ein Schlaglicht auf den intensiven Wettbewerb in NRW.

Hohe Anforderungen an die Unternehmen

Insgesamt elf Eisenbahnunternehmen sind heute zwischen Kleve und Höxter, Siegerland und Mindener Land im SPNV unterwegs. Rund 100 Millionen Kilometer legen die Züge der in Nordrhein-Westfalen tätigen Bahngesellschaften pro Jahr im SPNV zurück. Lokale Eisenbahnunternehmen wie die DME spielen jedoch inzwischen kaum mehr eine Rolle. Experten gehen davon aus, dass für sie künftig nur noch Nischenmärkte übrig bleiben werden. Ein Grund dafür: Die hohen Investitionen für moderne Züge erfordern finanzkräftige Unternehmen. Hinzu kommt, dass die Aufgabenträger statt einzelner Linien heute in der Regel ganze Liniennetze ausschreiben. Von den Verkehrsunternehmen verlangen Kalkulation, Planung und Durchführung der Leistungen ein hohes Maß an Kompetenz, während die Preise angesichts des intensiven Wettbewerbs massiv unter Druck geraten sind. Und schon die Teilnahme an einer Ausschreibung erfordert von den SPNV-Unternehmen umfassendes Know-how und bindet bei ungewissem Ausgang über viele Monate hoch qualifiziertes Personal.

Konkurrenz aus vielen Ländern

Etablieren konnten sich dagegen internationale Verkehrskonzerne. So sind die wichtigsten Wettbewerber der DB Regio AG in Nordrhein-Westfalen die Keolis-Gruppe mit dem Markennamen "Eurobahn", die NordWestBahn und Abellio. Keolis gehört mehrheitlich der Französischen Staatsbahn SNCF. Die NordWestBahn ist eine mehrheitliche Tochter des Veolia-Konzerns, hinter dem auch das staatliche französische Finanzinstitut Caisse des Dépôts steht. Bei Abellio schließlich handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der Niederländischen Staatsbahn. Auch die Italienische Staatsbahn ist inzwischen im nordrhein-westfälischen SPNV im Geschäft. Dabei profitieren alle europäischen Bahngesellschaften davon, dass der Eisenbahnmarkt in Deutschland liberalisiert und für jeden Interessenten offen ist. In den meisten europäischen Ländern ist das längst nicht der Fall.

Bislang 34 Verkehrsverträge im Wettbewerb vergeben

Von Anfang an war der Wettbewerb zwischen den Verkehrsunternehmen das erklärte Ziel der nordrhein-westfälischen Aufgabenträger. Allerdings fehlten zu Beginn der Regionalisierung noch weitgehend die zum Wettbewerb gehörenden Konkurrenten. Viele neue Bahngesellschaften gründeten sich gerade erst oder mussten zunächst investieren, bevor sie in den Markt eintreten konnten. Um sie konkurrenzfähig zu machen, vereinbarte man mit der DB so genannte Wettbewerbsfahrpläne, nach denen die Verkehrsleistungen nach und nach in den Markt gebracht wurden. Das sorgt für Transparenz und den für das Wettbewerbsverfahren nötigen Planungsvorlauf. Mehr als 60 Strecken, insgesamt rund 50 Prozent des SPNV in Nordrhein-Westfalen, haben inzwischen Wettbewerbsverfahren durchlaufen. 34 Verkehrsverträge gingen daraus hervor, die DB Regio AG gewann davon 15. Landesweit wird in den nächsten fünf Jahren das überwiegende Auftragsvolumen im Wettbewerb vergeben.

Rund 1.000.000 Reisende täglich

Heute beschäftigt DB Regio in NRW rund 3.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit rund 3.400 Zugfahrten täglich ist das Unternehmen landesweit präsent und bewegt Tag für Tag rund 1.000.000 Fahrgäste. Seit Juni 2010 sorgt eine neue Organisation in allen Regionen des Landes für größtmögliche Nähe zu den Aufgabenträgern und Fahrgästen sowie mehr unternehmerische Verantwortung vor Ort. Der Fahrbetrieb und die Betriebsplanung, das Fahrzeugmanagement, die Instandhaltung und das regionale Marketing liegen in den Händen von vier Verkehrsbetrieben mit Sitz in Düsseldorf, Dortmund, Essen und Köln. Sie agieren wie eigenständige lokale Unternehmen, wobei sich ihr räumlicher Zuschnitt daran orientiert, welche Linien die Aufgabenträger zu Netzen für die Vergabe im Wettbewerb zusammengefasst haben. Die Regionalleitung von DB Regio NRW in Düsseldorf bündelt Expertenwissen und hat koordinierende Funktionen.

Ziel der Organisationsstruktur ist es, die Flexibilität mittelständischer Unternehmen mit der Leistungskraft des Konzerns zu verbinden. Dazu gehört auch, dass DB Regio in NRW das ganze Leistungsspektrum im SPNV aus einer Hand anbieten kann. Ãœber den reinen Eisenbahnbetrieb hinaus betrifft das insbesondere die übergreifende Planung, das landesweite Marketing und den Vertrieb, die Entwicklung von Mobilitätskonzepten und Serviceangeboten sowie die Finanzierung von Investitionen, um den Fahrzeugpark zu modernisieren und auszubauen sowie Qualität und Zuverlässigkeit der Verkehre kontinuierlich zu steigern. Zufriedene Mitarbeiter sorgen dabei für zufriedene Fahrgäste. Denn nur wenn die Kunden dauerhaft von der Dienstleistung überzeugt sind, ist der SPNV in NRW ein wirkliche Alternative zum Individualverkehr.

Wichtigster Konkurrent: das Auto

So intensiv der Wettbewerb mit den anderen Verkehrsunternehmen in Nordrhein-Westfalen ist, so partnerschaftlich gestaltet sich der Umgang miteinander im Eisenbahnalltag. Dabei geben die Ressourcen des DB-Konzerns dem landesweiten SPNV auch in schwierigen Situationen Rückhalt. Profitiert hat davon im vergangenen Jahr die Eurobahn des Wettbewerbers Keolis: Weil sich die Zulassung neuer Züge für das Netz Rhein-Maas-Lippe verzögerte, sprang DB Regio mit ihren Fahrzeugen ein und hielt das Verkehrsangebot aufrecht. "Um mehr Menschen zum Umsteigen auf die Schiene zu bewegen, brauchen wir den Schulterschluss mit den Mitbewerbern im SPNV", so Heinrich Brüggemann. Ohnehin sieht der Vorsitzende der Geschäftsführung von DB Regio NRW den Individualverkehr als wichtigsten Konkurrenten. "Der SPNV hat gerade im Ballungsraum NRW großes Wachstumspotenzial. Vorrangiges Ziel muss es daher sein, mehr Fahrgäste für die Schiene zu gewinnen - über die kontinuierliche Verbesserungen unserer Angebote, mehr Fahrzeugkomfort und persönlichen Service."

DB Regio investiert in Qualität

Ein Beispiel dafür ist das Maßnahmenpaket, das DB Regio in NRW geschnürt hat, um Service, Sicherheit und Qualität landesweit gezielt zu verbessern. Bis zum Jahr 2015 investiert das Unternehmen dafür 42 Millionen Euro. 86 zusätzliche Mitarbeiter verstärken den Zugbegleit- und Sicherheitsdienst. Darüber hinaus hat DB Regio Mängeln an der Innenausstattung, Vandalismusschäden und Graffiti den Kampf angesagt. Geschulte Qualitätsprüfer inspizieren die Fahrzeuge, die Beseitigung der Schäden soll umgehend erfolgen. Dazu tragen 20 zusätzliche Mitarbeiter bei, die in den Regio-Werkstätten in NRW eingestellt werden. Auch mobil kommen sie zum Einsatz und reparieren kleinere Schäden beispielweise in Wende- und Abstellbahnhöfen.

Umfassend investiert hat DB Regio in NRW in die S-Bahn Rhein-Ruhr. Für rund 400 Millionen Euro beschaffte das Unternehmen 84 fabrikneue Züge vom Typ ET 422. Der Einsatz dieser Fahrzeuge und ein optimiertes Fahrplankonzept, das seit Ende 2009 wirksam ist, führten zu deutlichen Qualitätsverbesserungen. Auch die Pünktlichkeit ist deutlich gestiegen. Wo die neuen Triebzüge unterwegs sind, betrug sie 2010 rund 95 Prozent. Auf den wenigen Linien, die noch mit lokbespannten Zügen bedient werden, lag sie mit 93 Prozent nur geringfügig darunter. Die Reisenden an Rhein und Ruhr honorieren die Verbesserungen: Die Fahrgastzahlen sind deutlich gestiegen. So waren beispielsweise auf der Linie S1 (Solingen - Düsseldorf - Duisburg - Essen - Bochum - Dortmund) 2010 rund 11,5 Prozent mehr Reisende unterwegs als zwei Jahre zuvor.

Quelle:/Fotos: DB AG