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Datum: 11.02.2015 Uhrzeit: 09:04

GDL-Jugend Bebra: Stehen Nordhessens Bahnen und Busse bald still?

- Bundesregierung behindert weiterhin den öffentlichen Personennahverkehr

Die Ortsjugend Bebra der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer kritisiert das Vorgehen der Bundesregierung in Sachen Regionalisierungsmittel.

Ralf Tann, der Jugendleiter der Ortsgruppe Bebra, erläutert die etwas schwierige Thematik: „Seit 1994, mit Inkrafttreten des sogenannten Regionalisierungsgesetz, sind die Bundesländer bzw. die von diesen beauftragten Zweckverbände und Verkehrsverbünde für die Bestellung von Bussen, Straßenbahnen und Nahverkehrszügen verantwortlich. Vorher fuhren die Firmen meist nur zu solchen Zeiten, wo man auch mit einer Fahrt Geld verdienen konnte. Meistens war das morgens im Berufsverkehr, zu Schulbeginn, einmal vormittags, nach Schulschluss und dann wieder abends. Da Nahverkehr nur im seltensten Fall wirtschaftlich zu betreiben ist wurden den Bundesländern seitens der Bundesregierung hierfür Finanzmittel zur Verfügung gestellt um den Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn durch verschiedene Maßnahmen zu fördern und zu erleichtern.“

Neben der Gründung von Verkehrsverbünden, welche für eine Abstimmung der Fahrpläne sorgten waren auch durchgehende Tarife ein Erfolgsgarant. Nicht zuletzt sorgten aber auch klar durchstrukturierte Fahrpläne mit einem klaren Takt (stündliche Abfahrten immer zur selben Minuten ab der selben Haltestelle, morgens und abends eventuell um einige Fahrten verdichtet) für einen Anstieg der Fahrgastzahlen. Moderne Busse und Züge, teils mit niedrigen Einstigen, klimatisiert und modernen Türen die sich auf Knopfdruck öffnen, lösten ihre teils jahrzehntelang im Einsatz stehenden Vorgänger ab, so dass es fortan auch für alleinreisende Mütter mit Kinderwagen, Behinderte und ältere Fahrgäste wieder attraktiv wurde mit „den Öffentlichen“ zu fahren. Für viele Menschen gehörte die Parkplatzsuche in den Innenstädten fortan der Vergangenheit an.

Das Konzept ging auf, in vielen Regionen erlebten Bus und Bahn eine regelrechte Renaissance. Tann: „In einigen Gegenden haben Strecken, die von der damaligen Bundesbahn zur Stilllegung vorgesehen waren, heute teils vier- oder fünfstellige Fahrgastzahlen - und das pro Tag.“

Doch seit geraumer Zeit gibt es Probleme mit den für die Bestellung der Nahverkehrsleistungen notwendigen Finanzmittel. Tann: „Mit der Regionalisierung mussten die Aufgabenträger auch nach den Kosten schauen. Jeder weiß, dass Waren und Artikel heute meistens teurer sind als noch vor einem Jahr oder gar einem Jahrzehnt. Auch die Löhne entwickeln sich immer weiter, da es auch zunehmend schwieriger wird Menschen zu finden, die zu teils sehr unattraktiven Zeiten ihre Arbeitskraft in den Dienst der Fahrgäste stellen. Den Löwenanteil der Kosten einer Zugfahrt im Nahverkehr stellen jedoch die Nutzungsentgelte für das Schienennetz und Bahnhöfe sowie die für die jeweilige Fahrt notwendige Energie dar.“

So wurden die Nahverkehrsleistungen teils europaweit ausgeschrieben, heimische Unternehmen die jahrzehntelang die Bus- oder Bahnlinie vor der Haustür befuhren wurden „über Nacht“ durch einen neuen Anbieter mit meist neuen Fahrzeugen abgelöst. Der größte Teil der Kosten ist jedoch nicht variabel, sondern fest. Lediglich beim Personal konnte man hier und da sparen - mitunter mit für den Steuerzahler fatalen Folgen. Tann: „Unternehmen, deren Löhne so niedrig sind, dass ein Zugbegleiter, Busfahrer oder Lokführer zusätzlich vom Sozialamt „Stütze“ beziehen muss und bei denen man für 15 Jahre keine Lohnsteigerungen einrechnet haben nicht seriös kalkuliert.“

Doch die Bundesregierung zwingt die Länder, und damit in erweiterter Konsequenz die Verkehrsverbünde und die mit den Leistungen betrauten Unternehmen in ein zu enges Korsett bei dem die Luft zum Atem fehlt. Tann: „Die Länder fordern in einer durch ein Gutachten gestützten Bundesratsinitiative die Anhebung der Mittel auf 8,5 Milliarden Euro bei einer jährlichen Dynamisierung von 2 %. Für 2015 stellt die Bundesregierung jedoch nur 7,4 Milliarden Euro, und somit gut 13 % weniger zur Verfügung und lehnt die genannte Forderung mit der Begründung ab, dass die Länder die Mittel effizienter einsetzen sollen.“

Die Forderung der jungen Lokführer und Zugbegleiter aus Osthessen ist deutlich: „In den Medien konnte man zuletzt die Jubelmeldungen vernehmen, wonach Bund und Länder soviel Geld wie seit Langem nicht mehr eingenommen haben. Die Finanzmittel sind also da, wir fordern die in Regierungsverantwortung stehenden Parteien und deren Abgeordnete auf sich dieses Thema anzunehmen und schnellstmöglich für die Garantie der notwendigen Finanzmittel zu sorgen. Von den Oppositionsparteien erwarten wir, dass man den notwendigen Druck aufbaut das es hier zu einer Besserung kommt.“

Einen Vorschlag, wie man zudem gewisse Einsparpotentiale generieren kann haben die jungen Gewerkschafter ebenfalls. Tann: „Morgens und mittags im Berufsverkehr werden meist zusätzliche Züge und Busse benötigt um diese Verkehrsspitzen abzufangen. Lokomotiven und Waggons haben im Gegensatz zu Pkw jedoch eine recht hohe Lebenserwartung von einigen Jahrzehnten, Fahrzeuge mit einer Millionen Kilometer Laufleistung gelten da schon beinahe als „jünge Hüpfer“. Durch den Verlust von Ausschreibungen an andere Verkehrsunternehmen existiert bereits teilweise ein gewisser Markt an gebrauchten Fahrzeugen, welche selbst nur 10 oder 15 Jahre alt sind und nach einer entsprechenden Modernisierung noch problemlos weitere 15 oder 20 Jahre eingesetzt werden können. Während man das Grundangebot mit modernen Fahrzeugen anbietet, können für Verkehrsspitzen solche gebrauchten Fahrzeuge eine Lösung sein, da diese im Vergleich zu ihren jungen Kollegen nur wenige Stunden am Tag benötigt werden. Dies kann die Betriebskosten eines Betreiber ganz erheblich senken helfen.“

Da besonders in dicht besiedelten Gebieten wie Ballungszentren oder Großstädten das Angebot kaum reduziert werden dürfte befürchten Tann und seine Kollegen, dass auch die Geldmittel insgesamt anders verteilt werden könnten: „In ländlichen Gegenden wie Nord- und Osthessen könnte es in absehbarer Zeit zu erheblichen Einschnitten im öffentlichen Personenverkehr kommen. Neben weniger und eventuell kürzeren Zügen im Berufsverkehr sehen wir auch die Gefahr von im gleichen Atemzug drastisch höheren Fahrpreisen sowie der eventuellen Einstellung von Bahn- und Buslinien. Zuerst vielleicht nur am Wochenende, später auch unter der Woche morgens und abends. Der Erfolg der letzten 20 Jahre würde also konterkariert.“



Quelle:/Fotos: GDL-Ortsgruppe Bebra / Foto: Patrick Rehn