Abschied der 144G auf der Strecke Traunstein - Ruhpolding
Wolfang Pischek
Baureihen
Bereits im Frühsommer 1982 zeichnete sich ab, dass der Einsatz der Baureihe 144G auf
der Strecke Traunstein - Ruhpolding zum Winterfahrplan auslaufen würde. Um dem Ende
dieser über 20jährigen Ära einen würdigen Abschied zu bereiten, wollten wir eine 144G ein
bißchen aufpolieren und schmücken. Die Wahl fiel dabei natürlich auf unsere Lieblings-144,
die 094, die genau so aussah, wie unserer Ansicht nach eine 144 auszusehen hatte (einige
144G hatten wir wegen ihres Aussehens richtig dick...). Dank des Entgegenkommens der Bediensteten des Bw Rosenheim wurde es uns gestattet, am letzten Samstag vor dem
Planwechsel in´s Bw zu kommen und uns der Lok etwas anzunehmen. Der Einsatz der
Maschine wurde uns zugesagt, was nicht so selbstverständlich war, da sie eine der 144G
ohne Spurkranzschmierung war und daher nur selten auf der kurvenreichen Nebenbahn
nach Ruhpolding verwendet wurde.
Nachdem sich am Nachmittag herausstellte, dass wir keinesfalls vor Sonnenuntergang fertig
werden würden, ließen wir uns am Abend die Lok vor den Schuppen ziehen, um unser Werk
und uns bei der Arbeit fotografieren zu lassen. Christoph Kirchner sitzt auf dem Vorbau
beim Streichen der Vorbaukappen, Armin Hofmeister poliert die Seitenwände mit Trafoöl
(ich möchte nicht wissen, wie lange seine Hände danach noch gestunken haben) und meine
Wenigkeit tauscht die Frontschilder aus.
Leider war die Sonne kurz vor dem Untergehen, so dass wir die Lok nur halb fertig
ablichten konnten. Die Seitenwandbeschilderung besteht übrigens aus Verkehrszeichenfolie;
die einzelnen Buchstaben und Zahlen der Fabrik- , Bw- und BD- sowie Nummernschilder
wurden in wochenlanger Arbeit zu Hause einzeln aufgemalt, ausgeschnitten und aufgeklebt.
Am Dienstag, den 21. September wurde der 144 094 der Postexpress nach Freilassing
zugeteilt (hier fotografiert bei der Durchfahrt in Traunstein), womit sie schon einmal
in unserer Nähe war. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurde dann die 144 185
vom Ruhpoldinger Zug genommen und durch die 094 ersetzt. .
Da sich das Wetter am Freitag Abend zusehends besserte, konnten wir unsere Lok auch
einmal ohne Girlanden und Abschiedstafel auf der Strecke ablichten.
Am Samstag in aller Frühe war es dann so weit: wir brachten die Girlanden an und
montierten die vorbereitete Abschiedstafel, für die die Rückseite eines ausrangierten Autobahnverkehrsschildes herhalten musste, mit Draht an den Vorbauten an.
Sobald die ersten Sonnenstrahlen über die Berge kamen, legten wir los: für das erste Bild
des Tages stieg ich auf das Dach eines Schuppens neben dem Hp Eisenärzt.
Diese Fotostelle am Forellenhof geht heute nicht mehr: aus dem niederen Buschwerk neben
der Strecke sind inzwischen hohe Bäume geworden, die die Sicht auf die Traun verwehren.
Die rechts im Hintergrund sichtbare alte Holzbrücke über die Traun hat ihren 100sten
Geburtstag übrigens nicht mehr erlebt; sie wurde vor einigen Jahren vom Hochwasser
weggerissen.
Am Nachmittag stellte ich mich in der südlichen Ausfahrt von Siegsdorf auf, um den Zug
mit der Kirche zu fotografieren. Leider hatte ich damals noch keine Leiter; etwas Höhe
hätte diesem Bild gutgetan.
Kurz vor Sonnenuntergang lauerte ich am Privatbahnübergang in Hollnstein noch einmal
auf den Zug. Das Buschwerk entlang der Traun war Gott sei Dank im Sommer gestutzt
worden; bezüglich des Bewuchses bei Bedarf selbst Hand anzulegen trauten wir uns
damals noch nicht...
Tja - und dann kam der Sonntag - und unsere 094 war immer noch da. Der Grund war
einfach: traditionell fand der planmäßige Loktausch (für Fristarbeiten) auf der
Ruhpoldinger Strecke in der Nacht von Sonntag auf Montag statt und so rückte die erste
141 erst am Montag früh an. So gingen nach den "letzten" noch ein paar "allerletzte"
Fotos von der 144 094 her.
Am Abend hieß es dann Abschied nehmen. Für den letzten Zug des Tages wurde 144 094
von uns noch auf den Namen "Babsi" (der Name meiner Freundin) getauft. Für Bayern
standesgemäß erfolgte die Taufe natürlich nicht mit Sekt, sondern mit einer Flasche
dunklen Bieres, die wir auf dem Rahmen zerschellen ließen.
Leider gehörte 144 094 nicht zu den glücklichen Rosenheimerinnen, die in Würzburg noch
eine Gnadenfrist erhielten. Am 27. September wurde sie z-gestellt und in die lange Reihe
der Rosenheimer Schrottloks einrangiert. Nachdem wir mit der Aktion "E 44 094G" eine
Mordsgaudi hatten, wollten wir etwas ähnliches noch einmal mit einer Freilassinger 144.5
machen. So kam es, dass in der ersten Feberwoche 1983 die 144 502 "spurlos" von der
Strecke verschwand und erst Ende März wieder auftauchte - in einem deutlich veränderten
Outfit....