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Juni 1997 Die letzte Fahrt der 103 149 Hans Sölch
Baureihen

Am Freitag, 20. Juni 1997 war ich ohne besondere Erwartung mittags zum Bahnhof Rosenheim gefahren, nur um mal zu schauen, ob es was besonderes gab. Ich hoffte insgeheim auf eine 150, die damals noch regelmäßig durch Rosenheim kam. Die Tatzlagermaschinen waren bereits seit mehreren Jahren ausgemustert und das Ende der anderen Serienloks wurde in einschlägigen Zeitschriften und Magazinen schon bald prognostiziert. Leider war aber weit und breit keine 150er zu sehen - weder im Bw-Gelände noch im Bahnhof. Ich beschloss, ein wenig zu warten. Kurz darauf brachte die orientrote 139 250 einen Güterzug aus München nach Rosenheim und rangierte anschließend an einen anderen Güterzug, den sie später zurück nach München bringen sollte. Ich wollte schon gehen, da sprang das Signal in Richtung München auf grün. Da ich mich gerade am hintersten Bahnsteig befand, war die Zeit zu kurz um eine bessere Fotoposition zu suchen. Wenig später sah man aus der Ferne eine orientrote 111 aus Salzburg kommen, die eine weitere Lok zog. Kurz darauf erkannte ich in dieser zweiten Lok eine 103 - welche eine Überraschung! Zu diesem Zeitpunkt kam die 103 zwar ebenfalls noch planmäßig auf der Strecke München - Rosenheim - Salzburg zum Einsatz, jedoch nur spät in der Nacht. So zogen die Loks u.a. den Orient-Express, den Kalman Imre oder den RE 3549 (Mü - Salzburg), der um 0:30 durch Rosenheim kam. Bei Tageslicht war eine 103 dagegen nur mit Saisonzügen, vor Autoreisezügen oder mit viel Glück südlich von München zu erwischen. Noch war mir an dem Lokzug nichts außergewöhnliches aufgefallen. Die 111 012 schleppte die 103 149 in Richtung München. Erst im Nachschuss bemerkte ich die verrußte Forderfront der 103. Die Lok musste einen Unfall gehabt haben. Schnell machte ich noch ein weiteres Bild und schon war das Gespann wieder in der Kurve nach München verschwunden.

Erst später erfuhr ich aus der Tageszeitung, was der 103 wiederfahren war. Dort war im Lokalteil unter der Überschrift "Personenzug schleift Auto 600 Meter mit" ein Bericht über den Unfall nebst zwei Fotos der qualmenden Lok. Ursache war ein BMW, der ausgerechnet auf einem beschrankten Bahnübergang in Krottenmühl am Simssee (Landkreis Rosenheim), den Geist aufgegeben hatte. Der Versuch der Fahrzeuglenkerin, das Auto noch von den Gleisen zu schieben schlug fehl - der Wagen bewegte sich keine Zentimeter. Als die Frau gerade Hilfe holen wollte, schlossen sich die Schranken. Unglücklicherweise war es ausgerechnet einer der wenigen mit 103 bespannten Planzüge, der sich dem Schrankenübergang unaufhaltsam näherte.

Der 44-jährige Lokführer leitete zwar sofort nachdem er das Hindernis erkannt hatte, eine Vollbremsung ein, jedoch war es schon zu spät. Die Lok prallte mit voller Wucht auf den BMW und schleifte ihn noch 600 Meter mit. Dabei geriet das Auto völlig unter die Räder der Lok und fing Feuer. Der Brand breitete sich dabei auf die Lok aus und zerstörte einen guten Teil der Forderfront der betroffenen 103 149. Lokführer und Unfallfahrerin erlitten zwar einen Schock, jedoch waren zum Glück keine ernsthaften Verletzungen zu beklagen. Die Deutsche Bahn AG bezifferte den Schaden nach ersten Schätzungen auf rund eine Million Mark. Der Zugverkehr zwischen Rosenheim und Salzburg war mehr als 3 Stunden blockiert. Die Reisenden wurden mit Bussen weiterbefördert.

Zur Bergung der beschädigten 103 wurde ein Hilfszug eingesetzt. Wahrscheinlich kam die Lok zunächst ins ein paar Kilometer entfernte Bad Endorf, da nur dort ein Ausweichgleis vorhanden war, wo der Unfallszug abgestellt werden konnte. Am Vormittag wurde dann die 111 012 aus München nach Endorf geschickt, um die 103 zunächst ins Bw München zu schaffen, wo sie den Blicken der Öffentlichkeit entzogen war. Später kam die Lok dann nach Opladen. Da die 103 134 bereist einige Jahre zuvor wegen eines ähnlichen Zwischenfalls ausgemustert worden war und die 103er nicht mehr lange im Unterhaltungsbestand bleiben sollte, war das Schicksal der 103 149 mit diesem Unfall besiegelt. Der große Schaden rechtfertigte keine Reparatur mehr. Am 11. September 1997 erfolgte die z-Stellung und am 21. Oktober 1997 wurde die Lok ausgemustert. Im April 1999 wurde sie schließlich beim Bender in Opladen zerlegt.

Auf den beiden Bildern oben erkennt man die 111 012 die die verunfallte 103 149 nach München bringt. (beide Fotos, HS, Rosenheim, 20.06.1997)

Unten ist der im Text beschriebene Zeitungsartikel aus dem OVB (Oberbayerischen Volksblatt) abgebildet. Deutlich sind die Qualmwolken auf den Bildern zu erkennen. (OVB, 21/22.06.1997, Sammlung HS)







Text und Bilder: Hans Sölch