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Dezember 2009 Kleine Bahnen mit großer Aufgabe - elektrische Werksbahnen in Staßfurt und Bernburg Thomas Förster
Baureihen

Angeregt durch einen Artikel im EK 12/09 brach ich am 3. Dezember 2009 früh morgens auf in Richtung Sachsen-Anhalt. Genauer gesagt, wollte ich die "Sodabahnen" von Staßfurt und Bernburg besuchen.
Zunächst ging es nach Förderstedt nördlich von Staßfurt. Dort betreibt die Firma Lödenburger Baustoff und Transport den Betriebshof ihrer Werkbahn. Westlich der Bundesstraße liegt der Verladebunker, die Werkstatt und der nördliche Endpunkt der Bahn, östlich der Straße der Steinbruch, in dem das Ladegut für die Werkbahn gewonnen wird. Der Kalkstein wird in den Sodawerken Staßfurt zur Sodagewinnung benötigt. Des weiteren wird er auch per LKW für andere Verwendungszwecke abgefahren, aber uns interessiert hier der Bahntransport.

Die Strecke ist angelegt als 600-mm-Feldbahn, der Oberbau wird zur Zeit gerade renoviert, ich sah sowohl alte Holzschwellen als auch neue Betonschwellen. Der Schotter ist in weiten Bereichen erneuert worden. Durchgehend sind für diese Spurweite sehr wuchtige Schienen S49 verbaut. Das verleiht dem Gleis einen geradezu "quadratisch" anmutenden Eindruck und lässt es optisch noch schmaler aussehen. Man meint, mit einem Fuß drin stecken bleiben zu können…

Die Fahrleitung ist als Einfachfahrleitung verlegt, das Auslegermaterial sieht sehr neu aus, es werden Betonmasten verwendet.

Nun zum Rollmaterial. Die Loks sind zweiachsig, haben je einen Endführerstand, der Stromabnehmer sitzt in Lokmitte auf einer Konstruktion, die wohl auf Grubenloks zurückgeht und durch einen gartentischähnlichen Aufbau nochmals erhöht wurde, um den Fahrdraht in eine Höhe bringen zu können, wo er auch von Straßenfahrzeugen unterquert werden kann. Eben dieser "Gartentisch" trägt auch je einen Scheinwerfer für beide Fahrtrichtungen. Ergänzt wird die Beleuchtung durch eine gelbe Rundumblinkleuchte auf dem unteren "Podest", die auch fleißig in Betrieb gehalten wird. Es handelt sich um die Loktype El 12 von LEW.

Die Züge bestehen aus jeweils einer Lok und 4 Selbstendladern. Es wird mit zwei Garnituren gefahren. Es gibt auf der Strecke keine Kreuzungsmöglichkeit, man fährt immer hintereinander her. Zwei volle Züge hin, zwei leere Züge zurück, dann von vorne beginnen.

Das tun wir auch. Unter der Förderanlage werden die Züge mit der Seilwinde bedient. Ein Mann kann den Vorgang überwachen und die Vorschubgeschwindigkeit und den Ladevorgang steuern. Dabei ist der Stromabnehmer (per Seil!) gesenkt. Ist der Zug voll, dann wird das Seil gelockert, der Panto legt an, und ab geht es in die Steigung in Richtung Sodawerk. Man muß zunächst Höhe gewinnen, um die DB-AG Strecke von Staßfurt nach Magdeburg auf einer Brücke zu kreuzen, das erfordert auch zwei rechtwinklige Kurven. Der Brechpunkt liegt etwa 1.000 Meter nach der Verladung auf der Bahnbrücke. Dann geht es in das Gefälle der zweiten Brückenrampe, in die zweite Kurve und auf eine lange Gerade, die nach Staßfurt führt. Dort wird nochmals eine öffentliche Straße per Bahnübergang gequert, dann geht es in das Werksgelände der Sodawerke Staßfurt.

Als ich am 3. Dezember dort war, gab es eine rege Tätigkeit. Etwa alle halbe Stunde rumpelte ein Zug in jede Richtung, das Werk hatte Kalkhunger…

Nun ein paar Bilder:

Lok 1 steht mit ihrem Zug an der Beladung am Steinbruch Förderstedt. Der Bügel ist etwas gesenkt (gespanntes Seil!), die ganze Garnitur wird per Seilwinde unter dem Verladebunker bewegt.

Die Wagen sind voll, die Lok hängt zwar noch am Haken, aber gleich geht es aus eigener Kraft weiter zur Entladung im Sodawerk.

Kurz vor Staßfurt rumpelt der Zug hier über frisch gestopfte Gleise. Wo noch der alte Oberbau liegt, entwickelt der Stromabnehmer ein beachtliches Eigenleben. Bei dem langen Hebel ist ein Versatz am Rad von einigen Millimetern schon ein ordentlicher Schlenker am Fahrdraht…


Lok 2 rattert zurück zum Steinbruch und biegt gerade in die Rampe zur Bahnbrücke ein. Der Wind zergelt ordentlich am Zugseil für den Stromabnehmer.


Kurz danach kommt auch Lok 1 die Rampe herauf. Schon von weitem kann man sie von Lok 2 unterscheiden, die "Sonne" am Führerstand und die Piratenfahne auf dem Dach machen sie unverwechselbar.

Lok 1 kehrt mit frischer Kalkladung zurück, hier schon im Gefälle nach der Brücke.

Das Gefälle nach der Brücke ist nicht endlos… Hier muß wieder eine leichte Steigung bezwungen werden. Man beachte auch das Gleis, links neben dem sichtbar neuen Schotter ist der Übergang zum "Altbestand", dort wird heftig "geschaukelt".

Zeitübergreifende Technik: Lok 1 mit Leerzug vor Windkraftanlagen.


Auf dieser Betonbrücke macht sich Lok 1 auch ohne große Bahn darunter gut. Man vergleiche mal die Selbstentlader mit den Regie-Kohlewagen der KBayStEb…


Lok 2 rattert mit Ladung über die Brücke, der DB AG-VT kommt leider erst eine halbe Minute später…

In Staßfurt wird am einzigen öffentlichen Bahnübergang unmissverständlich auf die niedrige Fahrdrahtlage hingewiesen. Ohne den zusätzlichen "Gartentisch" auf dem Dach wäre ein Verkehr mit Straßenfahrzeugen wohl eher auf Kleinwagen an diesem BÜ beschränkt…

Als zweites Ziel hatte ich mir an diesem Tag Bernburg "ausgeguckt". Dort betreibt die Firma Solvay Alkali GmbH ebenfalls eine Sodafabrik, die mit einer Werkbahn Kalk direkt aus einem Steinbruch bezieht. Die dortige Werkbahn ist wesentlich kürzer als in Staßfurt. Sie wird, wie auch der Steinbruch, von Solvay betrieben. Ich erhoffte mir dort einen ähnlich regen Betrieb. Aber es sollte anders kommen.

Der Verlauf der Strecke ist recht einfach. Im öffentlich sichtbaren Bereich geht es aus dem Steinbruch über einen unbeschrankten BÜ gleich in eine Rampe zur Saalebrücke. Am anderen Flussufer liegt dann gleich die Fabrik, dort ist schon Ende der Fahrt. Die Spurweite ist 900 mm, der gesamte Oberbau ist sehr sauber und neu.

Ursprünglich waren zwei Loks und zwei 5-Wagen-Garnituren vorhanden, aber mittlerweile ist auch modernes Material da, siehe Bilder. Die neue Lok ist 2006 von der Schalker Eisenhütte geliefert worden.

Als ich vor Ort ankam, war erst mal Mittagspause. Jetzt rächte es sich, dass ich mir keine Brotzeit eingepackt hatte. Nun schob ich Kohldampf und Streckenwache… Hier die Bilder dazu:

Betriebspause im Betriebsmittelpunkt neben dem Steinbruch. Ein altes grünes Krokodil schlummert links vor sich hin, während ein moderner Leerzug daneben auf die Weiterfahrt zur Beladung wartet.

Gegenüber die Rampe "in den Himmel": Die Saale ist hier schiffbar, die Brücke darüber deshalb etwas höher ausgelegt.

Mit Hunger ist bekanntlich schlecht warten, und so kam gefühlte Wochen später dieser Zug mit Kalk auf mich zu - jawohl, auf mich zu. Er wird geschoben, die recht modernen Wagen haben sowohl ein Zugschluß als auch ein Spitzensignal und werden als Wendezüge eingesetzt.

Wie die Wagen ist auch die Lok in den Solvay-Farben lackiert, mit einem leichten Kalkschleier überlagert. Interessant der tiefergelegte Mittelführerstand. Die Maschine wirkt recht klobig, die langen Vorbauten lassen eine eingeschränkte Streckensicht erwarten. Doch vor dem einzigen BÜ muß eh' zum Einschalten des Blinklichtes angehalten werden.

Kommentar zu dem Bild: Ist denn schon Himmelfahrt?

Zurück geblieben ist die kleine Grüne mit ihrem Zug aus älteren Selbstentladern, sie dient offensichtlich als Reserve.


Nach einiger Zeit kommt die "Schalke"-Lok mit ihrem Zug zurück, neue Ladung holen. Die Lok alleine reicht, die Straße zu sperren.


Blick auf die Saalebrücke der Werksbahn. Sie ist in besserem Zustand als die danebenliegende Brücke der DB AG…






Text und Bilder: Thomas Förster