Mit nur sechzig Lokomotiven ist die Baureihe 120.1 weit unter den ursprünglich geplanten Stückzahlen geblieben. Mittlerweile bereits Geschichte sind die Einsätze im Interregio-Dienst. Am 06. Februar 2001 ist 120 160 mit ihrem IR 2095 auf dem Weg von München nach Salzburg. Gerade verlässt der Zug den Bahnhof Rosenheim.
(HS, 6.2.2001)
Geschichte bis 1993:
Im Jahr 1979 lieferte die Industrie fünf Prototypen der Baureihe 120.0 an die Deutsche Bundesbahn. Im Gegensatz zu den bisherigen DB-Triebfahrzeugen besaßen diese Lokomotiven einen Drehstrommotor. In den kommenden Jahren wurde dieser Antrieb auf Herz und Nieren geprüft. Am 19. November 1984 bestellte das BZA München zunähst 36 Serienlokomotiven. Der Vertrag sah außerdem eine Option auf weitere 24 Lokomotiven vor. Die Fertigung der Maschinen geschah bei drei verschiedenen Konsortien. Jeweils ein Drittel wurde bei Krauss-Maffei/Siemens, Krupp/AEG sowie Thyssen-Henschel/BBC hergestellt. Während Siemens, AEG und BBC die elektrische Ausrüstung lieferten, bauten die anderen Fabriken den mechanischen Teil.
Doch der Bau der "ersten deutschen Universallok" stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Obwohl die Erprobung der Prototypen über fünf Jahre gedauerte hatte, sollten die Loks nun sehr schnell zum Einsatz kommen. Aus diesem Grund wurden bekannte Probleme der Vorserie wie z.B.
Schwachstellen im Bereich des Radsatzantriebe in Kauf genommen. Diese sollten dann in der geplanten Folgeserie behoben werden. Innerhalb der DB war man sich offenbar nicht einig, ob die Lok nun vorwiegend im Güterverkehr oder im Fernverkehr eingesetzt werden sollte. Noch vor Bestellung der 24 Lokomotiven aus der vereinbarten Option änderte die Hauptverwaltung in Frankfurt im April 1985 die Bestellung ab. Die Lokomotiven sollten nun eine höhere verfügbare Zugkraft im oberen Geschwindigkeitsbereich (170 km/h bis 200 km/h) erhalten. Die dadurch nötige Getriebeänderung ging zu Lasten der Zugkraft bei geringen Geschwindigkeiten. Da der bau der Lokomotiven der ersten Serie aber zu diesem Zeitpunkt schon im vollen Gange war, konnten die gewünschten Änderungen nur noch in der zweiten Serie (120 137 bis 120 160) berücksichtigt werden. Doch die unzureichend überarbeitenden Konstruktionspläne und der hohe Termindruck führten bei diesen Loks bald zu Problemen. Infolge des nun zu klein ausgefallenen Getriebegroßrads kam es im Bereich der Getriebekästen vermehrt zu Ölverlusten. Die Deutsche Bundesbahn verweigerte sogar zunächst die Abnahme der 24 Loks. Erst Ende 1988 ließ man die Lokomotiven für eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h zu. Erst ab Sommer 1989 wurden die Loks durch weitere Anpassungen im Getriebebereich (z.B. Anbringen von Leitblechen und Tropfwannen) bis 200 km/h zugelassen.
Auch die erste Lieferserie wurde zu schnell in Betrieb genommen. Zwar wurde 120 103 als erste Lok in einer feierlichen Präsentation am 13.Januar 1987 im AW München Freimann offiziell der Bundesbahn übergeben, doch war die Lok noch gar nicht fertig. Der geplante Einsatz auf den Neubaustrecken machte einen druckgeschützen Führerstand nötig. Dies war durch Tunnelmessfahrten zwar schon seit 1985 bekannt gewesen, doch wurde erst nach Ablieferung der ersten Lok der Auftrag zur Druckertüchtigung der Führerstände an die Industrie beauftragt. Durch die erforderlichen Arbeiten kam die erste Lok - ebenfalls die 120 103 - erst am 27. August 1987 zum Bw Nürnberg 2 in den Betriebseinsatz. Auch bei den anderen Lokomotiven verzögerten der aufwendige Umbau der Führerstände die Abgabe in den Betriebsdienst.
Die neuen Lokomotiven wurden alle beim Bw Nürnberg 2 beheimatet und führten dort zur Ausmusterung der letzten Krokodile der Baureihe 194. Bis Jahresende 1988 standen dem Betriebsdienst erst 28 Loks zur Verfügung, obwohl alle Lokomotiven offiziell abgenommen worden waren. Die Abnahme der letzten drei Lokomotiven 120 158-160 verzögerte sich aufgrund eines Brandes im Werk München Freimann bis zum Spätherbst. Als letzte Lokomotive wurde die 120 159 am 5. Dezember 1988 endgültig abgenommen. Bis Mitte 1989 wurden alle Loks schließlich dem Betriebsdienst übergeben.
Am 29. Mai 1988 wurde die Neubaustrecke Fulda-Würzburg in Betrieb genommen. Zu diesem Zeitpunkt war die 120.1 die einzige druckertüchtigte Schnellfahrlok, die über die Strecke fahren konnte. Die Baureihe 103 oder die Vorserienloks 120.0 fehlte der Druckschutz im Führerstand. Dementsprechend wurden die Loks bis zum Äußersten beansprucht. Tägliche Laufleistungen von 1600 bis 1800 km bei 20 Einsatzstunden waren die Regel. Schon bald zeigte sich erste Schäden an den jungen Lokomotiven. Insbesondere an den Fahrmotoren, Motoranker und -wellen sowie Zahnrädern traten vermehrt Probleme auf, die erst durch den Einbau speziell ausgesuchter gehärteter Lager beendet werden konnten. Bis dahin waren oft nur 75-80 Prozent der Lokomotiven einsatzbereit.
Auch schwere Unfälle dezimierten seit Anfang an den Einsatzbestand. So fiel bereits Anfang 1988 die 120 121 nach einem schwerer Unfall für mehrere Monate aus. Im Juni 1988 erlitt die 120 114 im Bw München einen schweren Brandschaden ausgelöst durch Fehlsteuerung von Schutzeinrichtungen. Die schweren Schäden - Zerstörung einer der ölgekühlten Stromrichtergruppen und weiterer Teile im Maschinenraum - führten sogar zur z-Stellung. Erst am 03. Juli 1990 stand die Lok wieder dem Betrieb zur Verfügung. Ende 1989 wurde schließlich die 120 154 in der Nähe des Maschener Rangierbahnhofs durch einen schweren Aufstoß mit Flankenfahrt erheblich beschädigt. Seit 20. Januar 1990 befand sich die Lok dann zur Ausbesserung im AW München Freimann. Auch hier führten die schweren Schäden zur z-Stellung am 01. Februar 1990.
Im Mai/Juni 1989 wurde ein Testbetrieb mit niederländischen Doppelstockwagen in München durchgeführt. Zu diesem Zweck wurden die beiden Loks 120 151 und 153 im AW München Freimann im Mai 1989 mit einer fünfwagigen NS-Doppelstockgarnitur verbunden und technisch auf den Einsatz im S-Bahnverkehr vorbereitet. Ab dem 26. Mai 1989 bespannte die Garnitur dann drei Zugpaare auf der S 4 zwischen Geltendorf und Grafing. Zwischen dem 22. und 24. Juni bespannte der Testzug dann täglich vier Zugpaare des Bezirksverkehrs zwischen München und Augsburg. Hier kam wahrscheinlich auch die 120 139 kurzfristig als Ersatz zum Einsatz. Nach den Testfahrten kehrten die Garnitur mit 120 151 und 120 153 am Abend des 24. Juni wieder ins AW München Freimann zurück, wo die Loks wieder von den Wagen getrennt wurden und die nötigen Rückbaumaßnahmen durchgeführt wurden. Bis Juli standen die Loks dann wieder dem normalen Betriebsdienst zur Verfügung.
Weiterhin wurden die Loks am Tag im hochwertigen Fernverkehr und in der Nacht im Güterzug eingesetzt. Durch die Öffnung der DDR erweiterte sich das Einsatzgebiet der 120.1 auch in die neuen Bundesländer. Zunächst kam die 120 aber nur zu Messfahrten auf die Strecken der Deutschen Reichsbahn, wie z.B. 120 104 vom 14. bis zum 22. Oktober 1990.
Die 120 111 hatte Mitte 1991 einen schweren Unfall als sie in einem Tunnel der NBS Hannover-Würzburg bei Göttingen auf einen Güterzug aufgefahren war. Dabei wurde ein Führerstand eingedrückt. Am 01. Juli 1991 wurde die beschädigte Lok im Schlepp einer 140 im Bf Fulda gesehen und am 3.Juli 1991 wurde die Lok zusammen mit 150 001, 151 009, 151 034 ins AW München Freimann überführt.
Die Aufnahme des ICE-Verkehrs zum Sommerfahrplan 1991 verdrängte die 120.1 von den bisherigen Haupteinsatzgebieten, den IC-Zügen auf der Nord-Süd-Magistrale. Die freiwerdenden Loks ersetzten Leistungen der 103, die verstärkt in das neue IR-Netz abwanderte. Aber auch im Güterverkehr war die 120.1 weiter - vor allem in den Nachtstunden - in Einsatz. Im Jahr 1992 wurden dann alle Lokomotiven vom Bw Nürnberg Rbf zum Bw Nürnberg Hbf umstationiert, ohne dass sich in den Einsätzen etwas änderte. Mit der vollständigen Umstellung der IC-Linie 4 auf ICE-Verkehr kam die 120.1 nun vor allem auf der IC-Linie 2 zwischen Stuttgart und Dortmund/Münster, auf den IR-Linien von Stuttgart nach Saarbrücken/Karlsruhe sowie bei einigen verbliebenen IC/IR-Zügen auf der Nord-Süd-Magistrale.
Der nächste Rückschlag für die Baureihe folgte im Oktober 1992. Die anhaltenden Probleme mit mechanischen Bauteilen und der Plan der DB alle Fernzüge auf Triebzüge umzustellen, führten dazu, dass die Deutsche Bundesbahn eine weitere Beschaffung von Universallokomotiven mit Drehstrommotor auf Eis legte. Somit bleib sowohl eine Nachbestellung von weiteren Lokomotiven der Baureihe 120 als auch die Bestellung von 500 Loks der Nachfolgebaureihe 121 aus.
Der Fahrplanwechsel 1992/93 brachte keine entscheidenden Veränderungen im Einsatzgebiet. Die Lokomotiven wurden im Rahmen eines 42 tägigen Umlaufplans vom Bw Nürnberg 1 eingesetzt. Durchschnittlich wurden pro Tag 1.257 km erbracht. Der Spitzenwert lag bei 2.082 km am Plantag 11. Daneben gab es noch zwei weitere Umläufe mit vier bzw. zwei Lokomotiven, in den die Lokomotiven im Durchschnitt 1.853 km bzw. 1.901 km am Tag erbrachten.
Auch im Sonderverkehr war die 120.1 immer wieder anzutreffen. Neben vielen Einsätzen bei Meß- und Versuchsfahrten, wurde die Baureihe als modernste E-Lok auch gerne zur Eröffnung elektrischer Strecken herangezogen. So zog eine 120.1 beispielsweise den Eröffnungszug anlässlich der Elektrifizierung der Strecke von Oldenburg nach Leer am 22. Mai 1992.
Am 15. Juni 1993 überfuhr die 120 125 mit IR 2193 Karlsruhe - Salzburg den Prellbock des Gleis 14 in Stuttgart Hbf und wurde dabei schwer beschädigt. Die Lok wurde anschließend zur Reparatur ins AW München Freimann überführt. Dort befand sich immer noch die seit über drei Jahren abgestellte 120 154.
Um die anhaltenden Probleme im mechanischen Teil unter Kontrolle zu bekommen wurde die 120 118 Ende 1993 mit Versuchsantrieben der Bauart AEG GEALAIF Antrieb ausgestattet. Der Antrieb sollte die ständigen Getriebeölverluste vermeiden. Gleichzeitig wurde das Fahrmotorenlager auf der Antriebsseite ins Getriebe verlegt, um so Wellenbrüche und Lagerschäden vorzubeugen.
Fortsetzung: Geschichte ab 1994
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