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Die Baugeschichte der Brennerbahn 1836-1867
Von München über Alttyrol nach Venedig in politischer, ökonomischer und technischer Perspektive

von Hubert Held

Format:220 x 305 mm
Umfang:448 Seiten Seiten
Preis:EUR 49,90
ISBN-10:3706550989
ISBN-13:9783706550987
Verlag: StudienVerlag Ges.m.b.H.
Anschrift: Erlerstraße 10
A-6020 Innsbruck
URL: studienverlag.at
E-mail: order@studienverlag.at

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Pressetext:

Die zum 150-Jahr Jubiläum des ersten Schienenweges über den Alpenhauptkamm verfasste Abhandlung nimmt die Vorgeschichte (1836-1854) und die Baugeschichte (1853-1867) ebenso ins Auge wie die das Projekt begleitenden Szenarien. Eine solche komplexe Eisenbahn-Geschichtsschreibung reicht über die materielle Realisierung hinaus, beleuchtet das Bedingungsgeflecht und stellt das Geschehen in seine Zeit.

Im zweiten Drittel des 19. Jahrhundert kam die Industrielle Revolution in Mitteleuropa zum Durchbruch und mit ihr vollzieht sich ein tiefgreifender Parameterwechsel von menschheitsgeschichtlicher Dimension. Der Griff in die Tiefe zur Kohle riss das enge Energiekorsett auf und die Forschungsergebnisse der Naturwissenschaften ergänzten den über lange Zeit angehäuften empirisch/mechanischen Wissensschatz. Beim Transport von Menschen und Gütern verdrängte das mechanische Ensemble von Rad, Schiene und Dampf-Technologie die archaische Bewegungsenergie aus der Muskelkraft von Mensch und Tier. Um den binnen weniger Jahrzehnte eingetretenen Kontrast verständlich zu machen, wird eingangs das Transportgeschehen auf der Brennerroute von der Frühzeit bis zur Transportrevolution geschildert. Die Implantierung des neuen Verkehrssystems war mehr als angewandte Technik, vielmehr eine verdichtete vielgestaltige gesellschaftliche Leistung. Schon der frühe Bau der Linien in England hatte zu neuem Erfahren von Raum und Zeit geführt. Auf vielen Handlungsebenen lösten sich alte Bindungen und Konventionen. Dynamische Veränderungen wurden zum epochenprägenden Merkmal und führten breitschichtig zu einer von Optimismus getragenen Mentalität. Die Eisenbahn geriert zur Metapher des Jahrhunderts.

Den Bau des knapp 600 km langen, in fünf administrative Abschnitte geteilten Schienenweges führten Arbeiterheere mit Pickel und Schaufel, Brechstange und Schießpulver sowie mit der Hilfe zahlloser Pferde aus. Maschinen und technisches Gerät fanden kaum Einsatz, weil dem Dampfaggregat Grenzen gezogen waren. Die vielfältige Wirkweise der neuen Technik offenbarte sich erst beim Fahrbetrieb. Die Schilderungen der materiellen Vorgänge bilden den Kern, um den sich die Untersuchungen der Begleitumstände und der parallelen Entwicklungen ranken. Die staatsvertragliche Verankerung des Bauauftrages zwischen dem Königreich Bayern und der Habsburger-Monarchie, zu der auch das Lombardisch-Venezianische Königreich gehörte, verlief im fünfzehn Jahre andauernden Tauziehen zwischen Staatspolitik und Eisenbahninteressen. Daher war der politischen Bestandsaufnahme vor dem Sturmjahr 1848 und den anschließenden Neuordnungen themenspezifischer Raum zu geben. Parallel dazu wird untersucht, in welchem ökonomischen Zustand sich die einzelnen von der Trasse durchzogenen Länder und Regionen befunden haben und welche Leistungen sie zum Bahnbau beitragen konnten. Fragestellungen zur Kapitalbereitstellungen aus den Staatsbudgets oder von den privaten Finanzmärkten wurden mit den Hinweisen auf neue Anleiheformen und auf die Organisationsform „Aktiengesellschaft“ als Kapitalsammel- und Lenkungsinstrument beantwortet. Das Spannungsverhältnis Staat/Privat zieht sich über die gesamte Erzählung. Um auch auf der personellen Ebene zu einer umfassenden Sicht zu gelangen, werden die Lebensläufe und Arbeitsweisen der großen Ingenieure mit den Aktivitäten der „Grand Seigneurs de la haute Finance“ ergänzt. Begleitet werden diese Erzählstränge von einer Reihe kleinerer Untersuchungen und Hinweisen. Die während der Bauzeit aufkommende Fotografie und Telegrafie wird ebenso besprochen wie der Brückenbau beim Übergang vor der uralten Steinbaukunst zum eisernen Tragwerk.

Aus diesen Erhebungen und Beschreibungen ergibt sich für die untersuchte Zeit das spannende Bild eines Schwungrades, das die Gesellschaft aus dem noch feudalen ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in eine neue Zeit katapultierte, die wir kulturgeschichtlich als Belle Époque und wirtschaftsgeschichtlich als das reife Industrielle Zeitalter bezeichnen. Die Eisenbahn verhalf dem Schwungrad zur nötigen Drehzahl.



Inhalt:

1. Annäherung
2. Zur Verkehrsgeschichte des Brenners im alten Energieregime
3. Orientierung 1836-1841
4. Die Entwicklung bis 1848 in den vom Projekt berührten Ländern
5. Vom Sturmjahr 1848 zum Staatsvertrag Österreich-Bayern 1851
6. Die Eisenbahn-Staatsverträge zwischen dem Königreich Bayern und dem Kaisertum Österreich
7. Allgemeine Begleitumstände der Bauausführung
8. Der Bau der bayerischen Maximiliansbahn
9. Politik, Wirtschaft und Eisenbahnbahn im Kaisertum Österreich 1849-1867
10. Die Baugeschichte der k.k. Nordtyroler Staatsbahn
11. Der Bau der I.R. Strada Ferrata Eraiale Veneta-Tirolese bzw. der k.k. Südtyroler Staatsbahn
12. Die Bezwingung des Brenners
13. Erweiterungen und Vertiefungen



elektrolok.de-Bewertung

Die Brennerbahn ist Dank des 150-jährigen Jubiläums im vergangenen Jahr und dem Bau des Brennerbasistunnels derzeit mit zahlreichen Neuerscheinungen bedacht. Das vorliegende Werk beschränkt sich allerdings auf die Frühzeit und zeigt aus politischer, wirtschaftlicher und technischer Sicht den beschwerlichen Weg von den ersten Ideen Mitte der 1830er bis zur Vollendung der Brennerstrecke bzw. der Relation München – Innsbruck – Brenner – Verona – Venedig im Jahr 1867. Ein Thema also, dass in den meisten Veröffentlichungen nur am Rande angeschnitten wird. Die rund 450 Seiten lassen auch schon beim ersten in die Hand nehmen erahnen, dass es eine sehr umfangreiche Abhandlung geworden ist. So beginn das Werk auch mit einer recht ausführlichen Einleitung, in der verschiedene Definitionen und das eigentliche Ziel des Werkes genau beschrieben werden. Es folgt ein Blick auf die Alpenbarriere an sich und die Geschichte der Überquerung des Alpenhauptkamms über den Brennerpass bis in die 1860er Jahre.
Ab dem dritten Kapitel widmet der Autor sich dann der Frage wann und wie es zum Plan einer Schienenverbindung über den Brenner und die Alpen kam. Detailliert wird dabei der Weg von den ersten Ideen Mitte der 1830er und der frühen österreichischen und bayerischen Eisenbahnpolitik bis hin zum ersten Innsbrucker Eisenbahnverein behandelt. Auch die Bestrebungen Venedigs eine Eisenbahn in die Lombardei zu bauen finden hier ihren Platz.
Das vierte Kapitel greift dann die politische und wirtschaftliche Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Eisenbahn in Bayern, Österreich, Tirol und Venetien bis 1848 auf. Die für das Brennerprojekt wichtigen Jahre von 1848 bis 1851 finden sich dann im fünften Kapitel, während der Staatsvertrag zwischen Bayern und dem Kaisertum Österreich vom 21. Juni 1851 sowie die Änderungen bis 1856 im sechsten Kapitel beschrieben werden. In einem weiteren Kapitel werden dann allgemeine Einflussfaktoren wie das zeitgenössische Wetter und der Stand der Technik behandelt.
Im folgenden widmet sich das Werk den verschiedenen Teilstrecken der Alpenquerung, angefangen bei der bayerischen Maximiliansbahn, der k.k. Nordtyroler Staatsbahn sowie der k.k. Südtyroler Staatsbahn. In jedem Kapitel wurden dabei die Schwierigkeiten beim Bau, ausgewählte Bauwerke und Bahnhöfe sowie wichtige Daten und Ereignisse zusammengetragen. Die eigentliche Überquerung der Alpen über den Brenner zwischen Innsbruck und Bozen ist dann Gegenstand des 12. Kapitels. Auch hier finden sich zahlreiche Daten und Ereignisse sowie eine chronologisch nach Jahren aufgelistete Geschichte des Baus. Einige weiterführende Ausführungen zu Personen und Unternehmen werden im abschließenden 13. Kapitel beleuchtet.

Das Buch unterscheidet sich schon vom Konzept her deutlich von den Bahnbüchern, die wir sonst rezensieren. Doch das heisst nicht, dass nicht auch dieses Werk für Fans (sogar sehr) interessant sein kann. Das Werk ist eine streng wissenschaftliche Abhandlung und man merkt, dass enorm viel Recherche dahinter steckt. Es gibt zwar einige durchaus sehenswerte Fotos im Buch, aber der Schwerpunkt liegt eindeutig auf den Texten. Letztere greifen sehr weit und beleuchten den Weg zur Bahnlinie München – Venedig aus verschiedensten Blickwinkeln – politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und technisch, ja sogar das Wetter findet Einzug in die Beschreibungen. Das Thema an sich ist dabei sehr eng gesteckt und umfasst nur die Vorgeschichte sowie den Weg von den ersten Ideen bis zur Fertigstellung der genannten Strecken im 19. Jahrhundert. Dabei steht die gesamte Alpenquerung von Venedig bis München im Fokus und nicht nur der kleiner Abschnitt der eigentlichen Brennerbahn von Innsbruck nach Bozen. Im Rahmen des Buches wurden diverse Quellen und Fakten ausgegraben, die nur den wenigsten Bahnfans bekannt sein dürften. Es ist also eine wahre Fundgrube an neuen Informationen zu besagten Strecken.

Wer nur ein leichtes Werk zur Brennerstrecke haben will, der ist mit diesem Buch falsch beraten, denn das Buch ist nicht nur vom Gewicht her ein schweres, wissenschaftliches Werk. Wer aber ganz tief in die Thematik einsteigen will und viele wenig bekannte oder sogar ganz unbekannte Details zum Bau dieser Bahnstrecke ans Tageslicht fördern will, dem sei dieses Werk wärmstens empfohlen.


Na ja... Ausbaufähig! Durchschnitt! Gut! Toptitel!