Seit Dezember 2004 legt ein ICE die Strecke Hamburg-Berlin planmäßig in gut eineinhalb Stunden zurück. Bis dahin betrug der Bestwert unglaubliche 71 Jahre lang zwei Stunden und achtzehn Minuten. Aufgestellt hatte ihn ein Dieseltriebwagen der Baureihe SVT 877, der ab dem 15. Mai 1933 im Liniendienst zwischen den beiden norddeutschen Metropolen verkehrte. Der "Fliegende Hamburger" war mit seiner Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h das Aushängeschild der Reichsbahn auf der damals schnellsten Zugverbindung der Welt.
Andreas Knipping, im Hauptberuf Richter und seit vielen Jahrzehnten leidenschaftlicher Fotograf und Sammler historischer Eisenbahnaufnahmen, hat bereits mehrere Bücher zur Eisenbahngeschichte veröffentlicht. In seinem neuen großformatigen Bildband "Schnellverkehr der Reichsbahnzeit. ‚Ziel 200': Schneller auf deutschen Schienen - 1900 bis 1945" (erschienen im GeraMond Verlag) zeichnet er ein packendes Porträt einer aufregenden Bahnepoche voller Höhen und Tiefen: Spektakuläre Experimente wie der Schienenzeppelin, der planmäßige Schnellverkehr der Fliegenden Züge und die technologische Vielfalt stehen für die großen Fortschritte jener Zeit, die von zwei katastrophalen Weltkriegen geprägt wurde. Der mit erlesenem Bildmaterial ausgestattete Band schildert mit fachkundigen Texten die Entwicklung der Bahn bis zum Ersten Weltkrieg, den schwierigen, aber erfolgreichen Neuanfang danach, "die große Beschleunigung" während der Jahre 1929 bis 1934 und das Ausklingen der faszinierenden Epoche mit Beginn des Zweiten Weltkriegs. Eine historische Fundgrube nicht nur für Eisenbahnfreunde.
Inhalt:
Die erste große Beschleunigung
75 Jahre Arbeit an der Schnellzuglokomotive
Versuchsfahrten mit Drehstrom südlich von Berlin
Achsfolgen 2B2, 2C, 2C1: Dampflokomotiven für Schellfahrversuche und für schwere D-Züge
Deutsche Reichsbahn in den zwanziger Jahren
Der legendäre Schienenzeppelin
Fliegender Hamburger
E 04 und E 18 schaffen 152 km/h und 165 km/h
Von 1929 bis 1934: Die große Beschleunigung
Die 05 zwischen Geschichte und Legende
Die kurze Blütezeit der "Fliegenden Züge"
Die Baureihe 61 und der "HWZ"
Die Mickymaus der Lübeck-Büchener-Eisenbahn
Nürnberg 1935
Epilog 1: Zwei untaugliche, 115 mittelmäßige und eine geniale Stromlinienlok
Epilog 2: Die stärkste elektrische Lokomotive der Welt
Versuch einer Bilanz
elektrolok.de-Bewertung
Fliegende Züge, Baureihe 05, Schienenzeppelin oder E 19 - die Reichsbahn legte mit zahlreichen berühmten Konstruktionen den Grundstock für den schnellen Reisezugverkehr in Deutschland. Das großformatige Buch des bekannten Autors Andreas Knipping widmet sich diesem interessanten Thema. Eingeleitet wird das Werk durch die einige großformatige SW-Fotos, ehe zunächst die Entwicklung des Eisenbahnschnellverkehr in der Frühzeit der Bahn betrachtet wird. Besondere Beachtung finden dabei die verschiedenen Schnellzugdampfloktypen, die nach Achsfolge geordnet von den ersten 1A1, über die Crampton (2A), 1B, 2'B bis hin zur Atlantik (2'B1') kurz dargestellt werden. Auch die Drehstromversuchsfahrten auf der Militärbahn zwischen Marienfelde und Zossen, wo erstmals die 200 km/h-Marke geknackt wurde, haben ein eigenes Kapitel erhalten. Anschließend wird die Geschichte der Schnellzugdampfloktypen fortgesetzt: Der preußische "Möbelwagen" 561 und die bayerische S 2/6, Wegbereiter der späteren Schnellzugdampfloks, finden ebenso Erwähnung wie die 2'C und die Pazifik 2'C 1.
Erst nach rund 40 Seiten beginnt mit dem Status Quo der Deutschen Reichsbahn der Zwanziger Jahre das eigentliche Thema des Schnellverkehrs der Reichsbahn. Enthalten ist hier auch ein Einschub über die Raketenantriebsversuche 1928, bevor mit dem Schienenzeppelin der erste Vertreter des Schnellverkehrs näher betrachtet wird. Es folgen Ausführungen über den berühmten "Fliegenden Hamburger" SVT 877, die E04 und E18 bevor sich Knipping die Jahre 1929-1934 herausgreift, in denen die Reichsbahn große Schritte auf dem Weg zum schnelleren Reisen machte. Signaltechnik, Indusi, Strecken und Lokomotiventwicklungen sowie einige interessante Daten und Fakten zu jenen Jahren werden explizit dabei herausgestellt. Ein eigenes ausführliches Kapitel ist den Rennern der Reihe 05 vorbehalten. Auch der Henschel-Wegmann-Zug sowie die "Fliegenden Züge" werden mit den verschiedenen Bauarten und den befahrenen Strecken genauer betrachtet. Weiterhin werden die Micky-Mäuse der LBE und die Jubiläumsausstellung 1935 in Nürnberg mit eigenen Kapitel bedacht. Zum Abschluss finden sich Ausführungen über weitere Stromliniendampfloks der Reihe 01.10, 03.10, 06 und 19 1001 sowie das elektrische Pendant E19, die alle durch den Ausbruch des Krieges ihrer eigentlichen Aufgabe beraubt wurden.
Knipping gibt mit seinem Buch einen Überblick über die Schnellverkehre der Reichsbahn, wobei erfreulicherweise trotz aller Erfolge der Reichsbahn auch einige kritische Äußerungen zum Thema enthalten sind. Auf diese Weise entstand ein neutrales Buch, das Licht und Schatten dieser berühmten Ära gleichermaßen aufzeigt. Natürlich bieten auch zahlreiche historische Aufnahmen einen Blick auf die berühmten Fahrzeuge jener Epoche.
