Wer das Buch „Eisenbahnen im Dreiländereck D/PL/CZ“, Band 2 aus dem EK-Verlag gelesen hat, ist unweigerlich auf das Kapitel „Raw Görlitz“ gestoßen und hat vielleicht Lust auf „mehr“ bekommen. Das neue Buch von Wilfried Rettig, dem ehemaligen Görlitzer Eisenbahner, schafft hier Abhilfe. Es ist die wahrscheinlich einzige Abhandlung über dieses Werk, das 1997 seine Tore für immer schloss. 1909 mit dem Verschiebebahnhof Schlauroth bei Görlitz eröffnet, war die ehemalige preußische und sächsische Betriebswerkstätte bis 1945 ein bekanntes Güterzug-Bw, als Endpunkt des schlesischen Wechselstromnetzes sogar teilweise elektrifiziert. Die Lokabteilung des Bw Görlitz wurde 1950 zum Raw aufgewertet, zuständig für alle Schmalspurlokomotiven der DR, ab 1955 bekannt unter dem Namen „Deutsch-Sowjetische Freundschaft“. Detailliert beschreibt der Autor den Werdegang der Schmalspurlok-Instandsetzung und die Arbeit der Spezialwerkstätten. Dem Lokomotiv-Neubau, speziell der Baureihen IV K, VI K und VII K, sind ebenso wie der Verschrottung Kapitel gewidmet. Statistiker werden in umfangreichen Tabellen fündig, ergänzt durch zahlreiche eindrucksvolle Abbildungen.
Inhalt:
1 Die Geschichte des Güterzug-Bw Schlauroth
2 Betriebsteil des Bw Görlitz
3 Die Entwicklung des Raw bis 1990
4 Die schmalspurigen „Patienten“
5 Hauptaufgabe: Aufarbeitung von Schmalspurloks
6 Verschrottung und Verkauf von Schmalspurloks
7 Die Aufarbeitung und Verschrottung von Normalspurlokomotiven
8 Die Aufarbeitung von Rollwagen und Rollböcken
9 Die Schmalspurtransportwagen
10 Die Werk- und Heizloks sowie Werkwagen
11 Sonstige Aufgaben
Ein Streifzug in Farbe durch das Raw Görlitz
12 Die Fertigung von Dreikraftbremsen
13 Arbeits- und Lebensbedingungen
14 Die Jahre der Hoffnung
15 Das Ende
16 Statistik
Abkürzungsverzeichnis, Quellenverzeichnis und Danksagung
elektrolok.de-Bewertung
Das Buch über das RAW Görlitz beginnt mit einer kurzen Beschreibung der Entstehung des Bw Schlauroth, das zunächst als Betriebswerk des benachbarten Verschiebebahnhofs diente. Erst 1950 wurde das RAW Schlauroth gegründet, dessen Geschichte dann ab dem dritten Kapitel beleuchtet wird. Auf sechs Seiten wird der Weg von den ersten RAW Jahren bis zum Fall der Mauer 1990 behandelt. Der nächste Blick gilt den dort unterhaltenen Schmalspur-Lokomotiven, die sortiert nach der Spurweite in fünf Unterkapitel in Wort und Bild aufgelistet werden. Der Arbeitsablauf einer Aufarbeitung wird dann im Kapitel 5 beschrieben, das sowohl den technologischen Ablauf als auch die Aufarbeitung von Kessel, Rahmen, Triebwerk, Radsätzen und Lauftsauger sowie den anschließenden Zusammenbau und die Probefahrten beschreibt. Ein weiteres Unterkapitel beschäftigt sich mit der Generalreparatur und Neubauten inklusive Rahmen- und Kesseltausch. Neben der Ausbesserung gehörte auch der Verkauf und die Verschrottung von Schmalspurloks, einiger Normalspurloks sowie Rollwagen und Rollböcken zum Aufgabenbereich des RAWs, was ebenfalls in eigenen Kapiteln statistisch und fotografisch zusammengetragen wurde. Spezialwagen wie diverse Transportwagen oder Werkwagen sowie die Werk- und Heizloks werden ebenfalls mit eigenen Kapiteln bedacht. Von einem Farbbildkapitel getrennt werden anschließend noch einige besondere Aspekte wie die Fertigung von Dreikraftbremsen oder die Arbeits- und Lebensbedingungen aufgegriffen, ehe in zwei Kapiteln der Weg des RAW Görlitz von 1990 bis zum Aus im Jahr 1998 gezeigt werden. Eine Statistik mit einer Beheimatungsübersicht der Schmalspurdampflok zum 5. Februar 1960, der VII K-Schmalspurlok zum 1.1.1994 sowie wichtige Daten des RAW Görlitz beenden das Werk.
Fazit: Sowohl hinsichtlich der unterhaltenen Schmalspurfahrzeuge als auch der verschiedenen Aufgaben des RAWs bietet das Buch sehr viele Details, Fotografien und Statistiken. Von einigen Gebäude und Einrichtungen wie dem Wasserturm oder der Reparaturhalle, die leider nur im Rahmen der verschiedenen Kapitel kurz erwähnt werden, wäre unserer Meinung nach ein eigenes Kapitel mit einer kurzen zusammenfassenden Beschreibung sinnvoll gewesen. Ungeachtet dessen konnte der Autor eine Fülle an Infos und Daten für das Buch zusammentragen, so dass dieses Buch sicher eine Bereicherung für das Bücherregal jedes Schmalspurfreundes sein wird.
