Als Deutschland 1871 (wieder) zum Kaiserreich wurde, war die Eisenbahn schon keine Neuigkeit mehr. Technischer Fortschritt, wirtschaftliche Prosperität und politisches Selbstbewusstsein ließen eine neue glanzvolle Epoche von Bahnhofskathedralen, neuen Strecken, immer größeren Lokomotiven und immer schnelleren Zügen beginnen. Heute ist die Erinnerung an die ersten Auftritte spektakulärer Schnellzugloks, an den alten echten Orient-Express, an erste Formen elektrischen Betriebes und an Besuche des Kaisers erloschen. Weil aber im späten 19. Jahrhundert auch die Fotografie mit kompromisslos scharfen und hochauflösenden Plattenaufnahmen eine staunenswerte Qualität erreicht hatte, können wir uns bei der Betrachtung unvergänglicher Bilder um hundert Jahre zurückversetzen. Der sorgfältig zusammengestellte und kommentierte Bildband erschöpft sich aber nicht in unkritischer Nostalgie. „Kaisers Zeiten“, das waren auch Zeiten sozialer und politischer Spannungen – auch die Jahre des Ersten Weltkrieges.
Inhalt:
- Was sind "Kaisers Zeiten"?
- "... unsern alten Kaiser" - seltene Bilddokumente aus der Epoche vor Willhelm II
- Bitte recht freundlich! Eisenbahnikonographie für die Familiengalerie
- Lokomotiven des großen Königreiches: Preußische Galerie
- "Gruß aus..." - Ansichtskarten von Bahnhöfen eines großen Reiches
- Die Begegnung alter Fototechnik mit alter Eisenbahntechnik: Streckenaufnahmen
- Lokomotiven in einem Königreich beidseits des Rheins - Albumblätter aus Bayern
- Dynamik erstarrt zum Denkmal des Dramas: Unfälle
- Drei süddeutsche Länderbahnen: Sachsen, Württemberg und Baden
- Elektrische Pionierzeit in Bayern, Preußen und Baden
- Kolonialgebiete
- Erster Weltkrieg
elektrolok.de-Bewertung
Das Buch beginnt mit einer kurzen Geschichtsstunde um die historischen Zusammenhänge der Kaiserzeit zu erläutern. Schon in diesem historischen Rahmen sind dabei einige sehenswerte Aufnahmen u.a. des preußischen Hofzuges oder zweier Streckeneröffnung zu sehen. Das erste Kapitel zeigt dann auf knapp zehn Seiten diverse Dampflokomotivbaureihen aus dem späten 19. Jahrhundert. Etwas ausführlicher ist das Kapitel über die Familienfotographie mit Eisenbahnbezug. Abseits der zahlreichen Personen aller Berufsgruppen, sind auch hier einige Raritäten zu finden, so u.a. die Baldwin-Lok der K.Bay.Sts.B. Bedeutende preußische Lokomotiv-Gattungen (Schnellzug, Personenzug-, Güterzug- und Tenderlokbaureihen) werden dann in einem eigenen Kapitel in systematischer Ordnung zusammengefasst - mit fast 30 Seiten einer der Schwerpunkte des Buches. Sieben Seiten sind historischen Ansichtskarten mit Bahnhöfen reserviert.
Wirkliche Seltenheiten sind aufgrund der damals noch recht langen Belichtungszeiten Streckenaufnahmen mit fahrenden Zügen, dennoch finden sich immerhin 14 derartige Dampflokaufnahmen im Buch. Der Länderbahn in Bayern sind dann gut 15 Seiten vorbehalten, in denen von der kleinen Länderbahndampflok über Streckendampfloks und der einzig bekannten Betriebsaufnahme des Dampftriebwagens MCCi bis hin zur Spiegelauer Waldbahn ein breit gefächertes Bild der Länderbahn geboten wird. Nach wenigen Seiten mit Unfallaufnahmen folgen noch fotografische Raritäten aus Sachsen, Württemberg und Baden sowie wenige Aufnahmen aus den Anfängen der elektrischen Traktion und aus deutschen Kolonialgebieten. Die letzten gut zehn Seiten zeigen dann die Eisenbahn und Menschen im ersten Weltkrieg.
Fazit: Auch nach über 100 Jahren hat die Eisenbahn der Epoche vor dem Ersten Weltkrieg immer noch ihren ganz eigenen Charme. Dies belegen die zahlreichen Aufnahmen in diesem Bildband. Dabei werden nicht nur Lokomotivportraits aneinander gereiht, sondern auch andere Aspekte der Bahnfotographie wie die Ansichtskarte, das Bild fürs Familienalbum oder auch Streckenfotographien berücksichtigt. So entstand ein recht vielseitiger Bildband der durch seine ausführlichen Bildbeschreibungen auch viele Hintergrundinfo vermittelt. Einige Kapitel wie z.B. der elektrische Betrieb oder die Kolonialzeit werden leider recht kurz behandelt. Die wenigen Bilder hätte man besser in bestehende Kapitel integriert, um keine falschen Hoffnungen aufkommen zu lassen - als Ellokfans kommt man sich mit nur fünf Fotos doch etwas schnell abgehandelt vor und für nur drei Fotos ein eigenes Kapitel zu den Kolonialgebieten anzufertigen ist ebenfalls etwas dürftig. Die meisten Kapitel glänzen aber durch eine gelungene Bildauswahl und Länge. Im Gesamteindruck wurde das Thema aber sehr schön abgearbeitet, so dass man durchaus Lust auf den eventuell angekündigten zweiten Band bekommt.