Walter Hollnagel war bislang nur als Eisenbahnfotograf der Bundesbahndirektion Hamburg bekannt. Sein fotografisches Lebenswerk umfasst jedoch mehr als 75.000 Aufnahmen aus ganz Europa über einen Zeitraum von 50 Jahren hinweg. Der EK stellt Ihnen - zunächst in zwei herrlichen Bänden - Fotografien von Walter Hollnagel (darunter zahlreiche Farbaufnahmen) aus den zwanziger Jahren bis 1945 (Band 1) und von 1945 bis 1968 (Band 2) vor.
Band 1 zeigt das Spektrum seiner Aktivitäten von den Anfängen im Direktionsbezirk Magdeburg Ende der zwanziger Jahre, über den Aufbau der Lichtbildstelle bei der RBD Altona, dem Dokumentieren des Betriebsgeschehens der Deutschen Reichsbahn in den dreißiger Jahren bis hin zu seinen Einsätzen als Bildreporter im Auftrag des Reichsverkehrsministeriums während des Zweiten Weltkriegs in der Ukraine sowie in Norditalien. Dort entstanden Farbaufnahmen von einzigartiger Aussagekraft über Land und Leute, belegen aber auch den Propagandaauftrag des Fotografen, Normalität in den besetzten Gebieten vorzugaukeln, was jedoch mit dem Fortschreiten des Krieges immer weniger gelang.
Selbst gegen Ende des Zweiten Weltkriegs führten ihn Dienstreisen quer durch das inzwischen zerstörte Deutschland bis in die Eifel. Einzigartige Farbaufnahmen gelangen ihm auch in Dresden kurz nach den verheerenden Luftangriffen im Februar 1945.
Obwohl die Ostfront bereits Schlesien erreicht hatte, fuhr er noch im Frühjahr 1945 nach Oberschlesien und kehrte erst im April 1945 auf abenteuerlichen Wegen von dort zurück - aber nicht ohne dies ebenfalls fotografisch zu dokumentieren. Die Aufnahmen Walter Hollnagels spiegeln nicht nur seine einzigartige fotografische Kreativität wider, sondern zeigen ihn auch als Pionier der Farbfotografie in den Jahren 1938 bis 1944, wobei auch heute noch die Qualität seiner Leica-Aufnahmen besticht.
Inhalt:
Feingeist und Fotograf (Vorwort)
Leidenschaft und Lebensphilosophie
Von Magdeburg nach Altona
Epochenreise durch dei RBD Altona/Hamburg
Russlandreisen eines "Bildberichters"
In Italien
Ein Land am Ende
elektrolok.de-Bewertung
Den Namen Walter Hollnagel werden wohl nur die wenigsten bislang gekannt haben, obwohl es durchaus Aufnahmen von ihm gibt, die wohl jeder schon einmal gesehen hat (wie beispielsweise den Fliegenden Hamburger bei Friedrichsruh im Jahr 1933). Doch erst heute wird sein Gesamtwerk langsam gesichtet und veröffentlicht. Als erstes Buch ist nun das vorliegende Werk beim Eisenbahn-Kurier erschienen. Schon der Titel des Buches mit den Farbaufnahmen der 55 2609 im Juli 1943 in Russland sowie der Rücktitel des Buches mit einer Farbaufnahme eines Triebwagens der Hamburger-S-Bahn aus dem Jahr 1938 wecken die Neugierde auf den Inhalt.
Während das Leben und Werk Hollnagels fortgeschrieben wird, werden diverse Aufnahmen in bestimmten Themen zusammengefasst vorgestellt. Da viele Aufnahmen bislang noch nicht veröffentlicht waren, bietet der Band einiges an sehenswertem Material. Neben Fahrzeugen wie der zur Panzerlokomotive umgebaute 57 3070 oder der 05 002 sind auch zahlreiche Bahnhöfe, Gleisanlagen oder Bauwerke von Hollnagel portraitiert worden, so dass ein breites Spektrum der Reichsbahn-Ära im Buch zu finden ist. Aber auch abseits der Eisenbahn drückte Hollnagel aufs Knöpfchen wie zahlreiche seltene Aufnahmen des Buches beweisen. Da Hollnagel ab 1938 auch teilweise mit Farbdiafilmen fotografierte, entstanden einige heute als große Raritäten anzusehende Fotos. Neben einigen Hamburger Bahnhöfen ist u.a. auch eine Farbaufnahme des SVT Köln enthalten.
Fans, die nun reihenweise deutsche Lokomotivportraits a la Bellingrodt erwarten, werden allerdings etwas enttäuscht sein. Die überwiegende Zahl der Farbaufnahmen in dem Buch ist in Russland und Italien entstanden, wobei nicht jede unmittelbar mit der Eisenbahn zu tun hat. Auch die im letzten Kapitel zu sehenden Aufnahmen (Schwarz-weiß und Farbe) aus den letzten Kriegsmonaten zählen zu den großen Raritäten und vermitteln die erschreckende Zerstörungskraft der zahlreichen Bombenangriffe. Damit ist der Bildband ein zeitgeschichtlich sehr wertvolles Werk, zumal auch die Erlebnisse und Situationen Hollnagels, die zu den Aufnahmen führten dargelegt werden.
